One Week with 1UP. Martha Cooper, Ninja K & 1UP Crew, 2018
"One Week with 1UP" ist ein adrenalingeladener Ritt durch die Berliner Graffiti-Szene, der den Geist der Rebellion einfängt, der dieser Kunstform seit ihren Anfängen innewohnt. Das Buch ist das Ergebnis eines zufälligen Treffens zwischen der erfahrenen Fotojournalistin und Ethnografin Martha Cooper und der berüchtigten Berliner Graffiti-Crew 1UP. Zusammen mit der Fotografin Ninja K nimmt Cooper die Leser mit auf einen verborgenen Weg durch die Straßen Berlins, wo die 1UP-Crew verschiedene Techniken und Plattformen nutzt, um sich ihren Weg zum Ruhm zu malen.
Diese moderne Paarung fängt den widerspenstigen Geist des Graffiti der letzten 50 Jahre ein und bringt ihn selbstbewusst in die 2010er Jahre. Die Fotografin, die die Szene seit den 1970er Jahren dokumentiert, folgt 1UP, einer der bekanntesten Graffiti-Crews in Berlin, um ihren Prozess, ihre Technik und das endgültiges Ergebnis festzuhalten. Coopers Erfahrung mit dem Aufschwung von Graffiti in New York in den 70er und 80er Jahren macht sie zur idealen Person, um den aktuellen Stand der Szene zu dokumentieren: Sie spielt die Rolle einer Graffiti-Seherin aus der Vergangenheit und erkennt die gleiche Leidenschaft in der heutigen Jugend, die neue Technologien und Techniken einsetzt, um an die Wand zu bringen.
Über Dächer rennen, sich von Wänden abseilen, sich durch Zäune ducken, Treppen hinunterrennen - die 1UP-Crew plant jede Mission gründlich und gibt sich große Mühe, sie auszuführen. Das Buch bietet einen seltenen Blick hinter die Kulissen der Berliner Graffiti-Szene im 21. Jahrhundert, einer Stadt, die die Bohemiens und Rebellen umarmt, die weite Teile ihres Stadtbildes umgestaltet haben und Berlin damit zu einer de facto Hauptstadt der Subkultur gemacht hat, vor allem unter den jungen Leuten.
Coopers langjährige Erfahrungen als Fotojournalistin und Dokumentarfilmerin ermöglichen einen offenen und ungefilterten Blick durch die Linse. Sie halten das Buch auf dem Boden der Tatsachen, ohne ins Heroisierende abzugleiten, sondern fangen die Energie und Aufregung der verbotenen Aktionen der 1UP-Crew ein. Obwohl ohne Worte erzählt es eine Geschichte durch Bilder von Hingabe, Entschlossenheit, Beharrlichkeit und Tapferkeit.
"Illegale Graffiti sind immer noch eine Art Wettstreit zwischen den Writern auf der einen und den Cops auf der anderen Seite. Writer, die verlieren, können ins Gefängnis gehen", schreiben Cooper und Ninja K im Nachwort. "Der Erfolg wird daran gemessen, dass die Werke an Wänden oder Zügen angebracht werden. Uns schien es bei manchen Aktionen mehr um den Nervenkitzel zu gehen als darum, ein cooles Stück zu malen - je höher die Gefahr, desto höher die Punktzahl, wobei 1UP in der Regel die Nase vorn hatte."
Das Buch regt vielleicht unbeabsichtigt dazu an, die Auswirkungen von Graffiti auf Kunst, Vandalismus, Branding sowie den öffentlichen und persönlichen Raum zu untersuchen. Neben den offensichtlichen und beeindruckenden visuellen Ergebnissen beleuchtet der Eindruck einiger dieser Exkursionen die Rolle von Graffiti in der modernen Gesellschaft und ihre Beziehung zur Stadt und zum privaten/staatlichen Eigentum. Die Fotos werden von einem Tagebuch mit Erfahrungen, Meinungen und witzigen Beobachtungen begleitet. Dieses Katz-und-Maus-Abenteuer mit der Obrigkeit ist aufrichtig, satirisch und in seinem Humor sogar sadistisch. Manchmal erreichen die psychologischen Planungen und Theorien militärische Dimensionen, und dann erinnert man sich wieder daran, dass es hier nur um Malerei geht.
"Auf geht's! 10 Writer, 3 “Checker”, 2 Videofilmer und 2 Fotografen rennen die Treppe zum Zug hinunter, während die Fahrgäste fassungslos zusehen."
Manche mögen die unkonventionelle Kunst der 1UP-Crew darin sehen, physische Sicherheit und soziale Grenzen zu überschreiten, und das Buch gibt einen einzigartigen Einblick in ihre Denkweise; hier wird nach dem Prinzip der Solidarität gearbeitet, bei dem jedes Mitglied dazu beiträgt, den Erfolg der Mission und die Sicherheit aller zu gewährleisten. "One United Power steht für Einheit", heißt es im Vorwort, "ohne individuelle Namen und vor allem ohne Egoismus." Diese Philosophie spiegelt den Glauben der Crew an Zusammenarbeit und Teamwork wider, was in einer Kunstform, die sich durch individuellen Ausdruck auszeichnet, eher ungewöhnlich ist.
"Das Zusammensein mit der Crew gab uns einen tiefen Einblick in die Werkzeuge, Techniken, Motivationen und Persönlichkeiten der heutigen Graffiti-Writer", sagen die Fotografen. "Wir fühlten uns privilegiert, weil wir ihnen dabei zusehen durften, wie sie sich akribisch auf einige ihrer komplizierten Aktionen vorbereiteten. Wir hatten oft das Gefühl, in einem Spionagefilm zu sein, mit Brennertelefonen, Masken, verschlüsselten Nachrichten und einem verborgenen Netz von Menschen, die zusammenarbeiten, um die Sicherheit aller zu gewährleisten.
“One Week with 1UP” ist ein Muss für jeden, der sich für den aktuellen Stand von Graffiti und Street Art interessiert. Es bietet einen außergewöhnlichen Einblick in die Welt einer besonders berüchtigten Graffiti-Crew und dokumentiert ihre Aktionen in atemberaubenden Details. Es ist ein Buch, das den Lesern eine neue Wertschätzung für die Graffitikunst und ein tieferes Verständnis für die Kultur, die sie umgibt, vermitteln kann.
Text: Steven P. Harrington and Jaime Rojo Fotos Sebastian Kläbsch